Ein optimaler Weißabgleich ist mir sehr wichtig. Welche Art von Abgleichkarte soll ich kaufen? Brauche ich einen teuren Color-Checker oder reicht möglicherweise auch eine normale Graukarte?
Selbst wenn die Zubehörindustrie das gerne anders sieht: Generell braucht es für einen sauberen Weißabgleich keine besonderen Abgleichkarten. Seit Anbeginn der farbigen Videotechnik reicht hierfür eine farbneutrale Fläche, ob diese hart weiß, grau oder sogar schwarz (!) ist, spielt keine Rolle, nur eben farbneutral muss sie sein. In der Praxis hat sich seit je her normales weißes Schreibmaschinenpapier bewährt. Im Notfall tut es auch eine weiße Hauswand oder auch der Asphaltboden der Straße. Klingt möglicherweise überraschend, funktioniert aber, wenn die Bedingungen stimmen. Von daher spricht grundsätzlich auch nichts gegen die Verwendung einer Graukarte.
Ältere Graukarten aus Papier (z.B. von Kodak) neigen allerdings zum Vergilben. Andere weisen von Hause aus einen leicht erhöhten Blaueinteil auf (weil es für das Auge dann „grauer“ aussieht). Für die eigentliche Aufgabe einer Graukarte spielt das keine Rolle – Hauptsache, der Reflexionsgrad stimmt. Verwendet man eine solche Karte für den Weißabgleich, kann es zu leichten Abweichungen Farbabweichungen kommen. Wie relevant das außerhalb der Studio-Produktfotografie ist, steht auf einem anderen Blatt.
Wesentlich wichtiger als die 100%ige Beschaffenheit des Weißabgleichobjekts, ist die Art und Weise und an welcher Stelle der Weißabgleich vorgenommen wird. In kritischen Lichtsituationen kann sogar der Winkel, in dem die Karte zu Lichtquelle und Kamera steht, einen deutlichen Unterschied machen. Darum ist der Weißabgleich kein rein technischer Vorgang, sondern erfordert Erfahrung:
Bei Sonnenlicht beispielsweise empfiehlt sich in vielen Fällen selbst dann ein Abgleich unter direkter Sonne, wenn große Teile des Motivs im Schatten liegen. In Mischlichtsituationen (z.B. Warenhäusern, Fitnessstudios etc.) ist es in der Regel das Ziel, Erinnerungsfarben (z.B. Hautton) optimal zu reproduzieren. Hier muss am Ort der Erinnerungsfarbe abgeglichen werden. Mitunter erzielt man mit einem bewusst „falschen“ Abgleich auf ein pastellfarbenes Objekt in Komplementärfarbe ein besseres Ergebnis als auf „korrektem“ Wege.
Generell darf allerdings nicht vergessen werden, dass auch der beste Weißabgleich keine Farben hervorbringen kann, die im Licht nicht vorhanden sind. So ist es etwa unmöglich, das extrem warme Licht einer Natriumdampflampe (Straßenbeleuchtung) mittels Weißabgleich zu neutralisieren.
Nicht in jeder Situation ist ein Weißabgleich sinnvoll. Klassische Motivbeispiele wären ein Sonnenuntergang oder auch eine Kerzenlichtszene. In beiden Fällen ist die Arbeit mit einem geeigneten Preset zu bevorzugen.
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